Digitales Engineering 4.0
Lydia Kaiser ist seit März 2021 ECDF-Professorin für „Digitales Engineering 4.0.“. In ihrer Forschung konzentriert sie sich auf den Wandel, den die Industrie durch Digitalisierungsprozesse durchläuft und die Möglichkeiten und Herausforderungen, die Unternehmen dadurch erleben. „Die technischen Systeme sind jetzt vernetzt, dadurch ergeben sich teilweise neue Geschäftsmodelle. Wie können wir diese Prozesse gestalten? Diese Frage muss soziotechnisch und interdisziplinär betrachtet werden, nicht rein technisch: Wer braucht diese Lösung? Ingenieure, Mitarbeiter*innen im Einkauf oder Marketing? Wir müssen die Akteur*innen und ihren Bedarf verstehen, um Lösungen erarbeiten zu können“, erklärt Lydia Kaiser. Dabei geht es im ersten Schritt nicht darum, neue Software zu entwickeln, sondern die Lösungen, die schon vorhanden sind und potenzielle Anwender*innen zusammenführen. „Im zweiten Schritt möchte ich auch Lösungen mitgestalten – dazu zählen Anpassungen bestehender Software aber auch neue Konzepte mit Integration von Verfahren der Künstlichen Intelligenz.“.
Kaisers Forschung mit Ansätzen des System Engineering passt sehr gut zur Vision des ECDF: Digitalisierung für alle, Digitalisierung jenseits der Disziplinen, der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung. „In Unternehmen die technische Systeme realisieren, sind immer häufiger Fragen aus der Softwaretechnik zu beantworten. Klassische Maschinenbauer*innen und Softwareentwickler*innen gehen aber häufig sehr unterschiedlich an diese Fragestellungen heran. Ziel ist es, dass sie gleichberechtigt am Prozess mitarbeiten können“, beschreibt Kaiser ihr Forschungsvorhaben. Dazu kommt, dass Branchengrenzen zunehmend verloren gehen und auch innerhalb der Wertschöpfungskette neue Arten der Zusammenarbeit entstehen. Diese Entwicklungen müssen im Gesamtsystem (systemisch) und systematisch angegangen werden, um richtige Lösungen zu identifizieren. Der Mensch steht dabei immer im Mittelpunkt der Produktentstehung: Technologischer Fortschritt soll so eingesetzt werden, dass er den Menschen in seiner Arbeit unterstützt. Neue Lösungen sollten daher mit dem Gedanken an den Nutzer entwickelt werden.
„Die Professur am ECDF ist etwas Besonderes für mich: Das Thema wird neu aufgesetzt und ich kann es von Anfang an mitgestalten und das alles in einem interdisziplinären Umfeld mit Kolleg*innen aus den verschiedensten Fachrichtungen“, sagt Kaiser. Nach mehreren Jahren in der angewandten Forschung, freut sie sich jetzt tiefer in die universitäre Forschung einzusteigen. Auch für ihr Privatleben hofft sie, dass sich die Arbeitswelt verändert: „Ich bin drei-fache Mutter und bis vor ein paar Jahren war es für mich unvorstellbar eine Professur und meine Kinder unter einen Hut zu bringen, es wird aber klappen! Ich wünsche mir, dass wir die Art und Weise wie wir arbeiten verändern, damit sich Frauen nach mir, die Frage nach Vereinbarkeit nicht mehr stellen müssen. Ich möchte mit dieser Doppelrolle auch ein Vorbild für andere Frauen in der Wissenschaft sein und sie ermutigen, es mir gleich zu tun“, erzählt die promovierte Ingenieurin.
Lydia Kaiser startete ihre wissenschaftliche Karriere mit einem Bachelor und Masterstudium in Physik an der Universität Paderborn. Im Dezember 2013 promovierte sie dort mit dem Dissertationstitel „Rahmenwerk zur Modellierung einer plausiblen Systemstruktur mechatronischer Systeme“ an der Fakultät für Maschinenbau. Nach vier Jahren als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Produktentstehung der Universität Paderborn sammelte sie am Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik Erfahrung in der angewandten Forschung. Bei letzterem leitete sie von 2018 bis zu ihrem Ruf an das ECDF gemeinsam mit einem Kollegen die Abteilung Systems Engineering. (sif)