Digitale Friedensforschung
Professor Alexander Glaser von der Princeton University, USA, forschte von Sommer 2020 bis Juli 2021 als Gastwissenschaftler am Einstein Center Digital Future (ECDF). Seine Forschung umfasst technische und politische Analysen im Kontext der internationalen Sicherheit, vor allem im Rahmen der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung. Glaser beschreibt seine Forschung selbst als „naturwissenschaftlich-orientierte Friedensforschung.“ Interdisziplinäre Arbeit ist für ihn der „Goldstandard“: „Durch die verschiedenen Blickwinkel der unterschiedlichen Fachrichtungen ergeben sich häufig unerwartete Möglichkeiten, die alleine so nicht entstanden wären. Am ECDF wird genau das gelebt: unterschiedliche Disziplinen mit verschiedenen Blickwinkeln auf das große Thema Digitalisierung.“
Glaser ist in Deutschland aufgewachsen, lebt aber mittlerweile seit mehr als 15 Jahren in den USA. Nach seinem Diplomstudium der Physik promovierte er an der Technischen Universität Darmstadt. Bereits während seiner Zeit in Darmstadt war er Teil von IANUS, einer interdisziplinären Arbeitsgruppe für natur- und ingenieurwissenschaftliche Friedensforschung an der TU Darmstadt. Seit 2005 forscht er an der renommierten Princeton University (USA) – zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Juniorprofessor. Seit 2009 ist Glaser Professor für Maschinenbau, Luft- und Raumfahrttechnik und Internationale Angelegenheiten sowie seit 2016 Co-Direktor des Programms „Science & Global Security“.
„In meiner Forschung geht es oft um Technikgestaltung und Technikfolgenabschätzung: Ich schaue mir Entwicklungen in Wissenschaft und Technik und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Entwicklungen an. Ein großes Thema ist zum Beispiel die Verifikation von internationalen Verträgen, bei der oft knifflige Entscheidungssituationen vorliegen, ähnlich zu Situationen in der Spieltheorie: Wie können wir verifizieren, dass ein Staat tatsächlich Kernwaffen abrüstet, ohne, dass die technischen Geheimnisse preisgegeben werden müssen?“, erklärt Alexander Glaser. Für seine Arbeiten zu diesem Thema wurde Glaser im Jahr 2014 als einer der „100 Leading Global Thinkers“ des Foreign Policy Magazins ausgezeichnet.
In der Zeit am ECDF beschäftigte sich Glaser tiefer mit dem friedensfördernden Potenzial der Digitalisierung. Dabei ist eine Fragestellung, wie und ob neue digitale Technologien einen wesentlichen Beitrag zu Verifikation und Monitoring leisten können, insbesondere mithilfe von neuartigen Sensoren und, im Idealfall, mit aktiver Beteiligung der Öffentlichkeit („Open Citizen Science“). Zwei weitere Projekte befassen sich mit den Möglichkeiten der virtuellen Realität (VR). Hier können Expert*innen und Regierungsmitarbeiter*innen Vorgehensweisen für Inspektionen entwickeln und mit neuartigen Technologien und Instrumente virtuell testen. Dank der virtuellen Umgebung werden wissenschaftliche und abstrakte Vorgänge zugänglicher. Zu dieser Thematik hat Glaser im Wintersemester 2020/2021 gemeinsam mit dem „Quality & Usability Lab“ ein Seminar an der TU Berlin angeboten. Als Teil der Arbeit entsteht momentan auch eine VR-Dokumentation, die unter anderem von Arte unterstützt und bis 2022 fertiggestellt werden soll – dank Virtual Reality sind die Zuschauer*innen mittendrin.
Zusätzlich arbeitet Glaser mit anderen Wissenschaftler*innen daran, Konzepte der „nuklearen Archäologie“ zu entwickeln, um die Geschichte von nuklearen Anlagen zu dokumentieren und zu erhalten. Dabei spielen sowohl analoge Aufzeichnungen als auch digitale Daten unterschiedlichster Formate - häufig mehr als fünfzig Jahre alt - eine wesentliche Rolle. Die entscheidende Frage ist, wie die Herkunft dieser Daten garantiert und Vertrauen in ihre Authentizität hergestellt werden kann: „Wir erhoffen uns, dass sich so besser nachvollziehen lässt, wieviel radioaktives Material an bestimmten Orten in der Vergangenheit abgebaut oder produziert wurde. Aktuell lässt sich das kaum bewerkstelligen.“ Nukleare Archäologie soll Klarheit über heute vorhandenes Material schaffen und dazu beitragen, dass eine kernwaffenfreie Welt auch überzeugend verifiziert werden kann.