Für ihre Veröffentlichung “‘It just seems that they don’t act like men’: The influence of gender role stereotypes on women’s entrepreneurial innovation activities”, mit der sie den Einfluss von Geschlechterrollenstereotype auf das innovative Unternehmertum von Frauen untersucht, erhält Janina Sundermeier den Annual Award des ECDF für die beste Arbeit im Bereich Digitalisierung und Diversität 2024. Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert.
Sind Frauen gleichermaßen stark als digitale Unternehmerinnen unterwegs wie ihre männlichen Kollegen? Die Errungenschaften der digitalen Transformation und die vielfältigen Möglichkeiten des digitalen Entrepreneurship würden vermuten lassen, dass die Gleichstellung bei unternehmerischen Aktivitäten weit fortgeschritten ist. Die Realität sieht anders aus, wie Janina Sundermeier, Professorin für Digital Entrepreneurship und Diversity an der FU Berlin, feststellt. Für ihre Studie hat sie verschiedene Akteur*innen – Männer und Frauen – des Berliner Startup Ökosystems interviewt und weist einen starken negativen Einfluss von Geschlechterrollenstereotypen auf das innovative Unternehmertum von Frauen nach. Sie zeigt aber auch auf, was Frauen den Hürden und Vorurteilen entgegensetzen. Die Arbeit ist im Dezember 2024 im Journal of Business Research erschienen und wurde mit dem ECDF-Award für Digitalisierung und Diversität 2024 gewürdigt. Wir haben Janina Sundermeier zur Thematik und ihrer Studie befragt:
Frau Sundermeier, welche Rollen spielen Gender und Diversity bei digitalem Unternehmertum?
„Digital Entrepreneurship spielt heute eine entscheidende Rolle, da digitale Technologien zunehmend unser privates und berufliches Leben durchdringen. Beispiele dafür sind digitale Plattformen, die unser Konsumverhalten prägen, oder Cloud-Technologien, die völlig neue Formen der Zusammenarbeit ermöglichen. Startups im Bereich der Künstlichen Intelligenz oder Blockchain verändern Branchen grundlegend und treiben Innovationen voran, während digitale Geschäftsmodelle auch für die Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Gesundheitskrisen eingesetzt werden können. In der Forschung wird häufig noch davon ausgegangen, dass der Zugang zu Digital Entrepreneurship für alle gleichermaßen möglich ist. Diese Annahme ignoriert, dass systemische Hürden – wie ungleicher Zugang zu Kapital, Netzwerken oder Bildung – gerade Frauen und andere Gruppen überproportional betreffen. So fehlen oft weibliche Perspektiven in der Entwicklung digitaler Innovationen, obwohl diese entscheidend dazu beitragen könnten, dass Technologien und Geschäftsmodelle vielfältigere Bedürfnisse adressieren. Es ist daher essenziell, nicht nur die technologischen, sondern auch die sozialen und strukturellen Voraussetzungen für Digital Entrepreneurship zu untersuchen und gezielt geschlechtergerechte Fördermaßnahmen zu etablieren. Nur so können digitale Innovationen inklusiv gestaltet werden und die Vielfalt der Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit, widerspiegeln.“
Wie würden Sie die Arbeit, für die Sie die Auszeichnung erhalten haben, in diesem Kontext einordnen?
„Geschlechterrollenstereotype sind eine zentrale Hürde dafür, dass Frauen nicht gleichwertig wie Männer als digitale Entrepreneure wahrgenommen werden und agieren können. In meinem Forschungsprojekt habe ich eine dreijährige Ethnografie im Berliner Startup-Ökosystem durchgeführt und dabei festgestellt, dass der ideale digitale Entrepreneur immer noch stark mit einem weißen, mittelalten, gebildeten Mann mit akademischem Hintergrund sowie stereotypisch männlichen Eigenschaften assoziiert wird. Frauen hingegen werden oft als abweichend von dieser vermeintlichen Norm wahrgenommen. Es wird ihnen nachgesagt, primär Nischenmärkte zu adressieren, bei der Ausschöpfung von Innovationspotenzialen eher emotional statt rational vorzugehen und deutlich risikoaverser zu agieren. Diese Vorurteile führen dazu, dass Frauen im Bereich des Digital Entrepreneurship häufig an Legitimität einbüßen und auf größere Hürden stoßen, beispielsweise beim Zugang zu Kapital oder anderen entscheidenden Ressourcen. Um digitale Innovationen diverser und inklusiver zu gestalten, ist es essenziell, diese Stereotype kritisch zu hinterfragen und abzubauen. Nur so können Frauen als digitale Entrepreneure gleichberechtigt anerkannt werden und ihr Potenzial uneingeschränkt entfalten.“
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Janina Sundermeier ist Juniorprofessorin für Digital Entrepreneurship und Diversity an der Freien Universität Berlin und Assoziierte Wissenschaftlerin am ECDF. Link zum prämierten Artikel: ‘It just seems that they don’t act like men’: The influence of gender role stereotypes on women’s entrepreneurial innovation activities
Mit dem Preis für Digitalisierung und Diversity wird jährlich die beste Arbeit ausgezeichnet, die sich mit Fragen von Gender und Diversity im Kontext der Digitalisierung beschäftigt. Er wird seit 2023 vergeben. Um das breite Spektrum der interdisziplinären und vielfältigen Arbeit des ECDF zu würdigen, sind auch die Bewerbungen von Arbeitsergebnissen wie Ausstellungen, Installationen oder anderen Formaten willkommen. Bewerben können sich ECDF-Professorinnen und -Professoren, ihre Doktorandinnen und Doktoranden sowie PostDocs. Einsendeschluss ist jedes Jahr am 31. Oktober.