Flexiblere Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Arbeitsmethoden – für einige ist das mit Beginn der Corona-Pandemie schnell zum Alltag geworden. Diese Entwicklungen haben viele Vorteile aber bergen auch einige Risiken: In einem neuen Forschungsprojekt widmet sich ECDF-Professor Stefan Kirchner (TU Berlin) den Auswirkungen der digitalen Transformation auf Beschäftigungsrisiken und Arbeitsqualität.
Die digitale Transformation verknüpft physische und virtuelle Welten zunehmend und etabliert neue Kommunikationswege, die neue Arbeitsmodelle möglich machen. So profitieren zum Beispiel Rentner*innen und Mütter und Eltern von neuen Arbeitsplätzen, die sie eher ihren zeitlichen und familiären Bedürfnissen anpassen können, während die üblichen Beschäftigungsformen das nur recht begrenzt zulassen. „Diese Möglichkeiten gehen natürlich Hand in Hand mit dem Risiko, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend verschwimmen und eine höhere Arbeitsbelastung entsteht“, erklärt Stefan Kirchner, Leiter des Projekts.
Häufiger diskutiert wird bereits, dass die digitale Transformation dazu führen wird, dass einige Tätigkeiten in Zukunft durch künstliche Intelligenz automatisch ausgeführt werden - durch Maschinen statt Menschen. Das ändert die Nachfrage nach bestimmten Berufsgruppen und wird einige Menschen dazu zwingen, sich nach anderen Tätigkeitsbereichen umschauen zu müssen. „Unser interdisziplinäres Projektvorhaben wird – auf der theoretischen und methodologischen Basis von Ökonomie und Soziologie – neue Evidenz zu digitalen Arbeitsplätzen, Plattformarbeit und künstlicher Intelligenz liefern und so eine fundierte Grundlage für Verantwortungsträger schaffen, um evidenzbasierte politische Entscheidungen in der Arbeits- und Sozialpolitik zu treffen“, so der Soziologe. Mit dem Projekt sollen negative Auswirkungen aufgedeckt werden, so dass Politik hier gegensteuern kann, und gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass möglichst viele Bevölkerungsgruppen vom technologischen Fortschritt profitieren.
Insgesamt ist es bisher nur grob einschätzbar, wie weit die Digitalisierung bereits den Arbeitsalltag bestimmt und welche Bevölkerungsgruppen, Wirtschaftszweige, Qualifikations- oder Berufsgruppen sie tatsächlich betrifft. Unklar ist oftmals auch, welche Arbeitsplätze von Digitalisierung profitieren werden bzw. wer und in welchem Umfang die damit verbundenen Kosten trägt. Auch die Konsequenzen für das Privatleben sind noch nicht ausreichend erforscht und beziffert. „Unser Forschungsvorhaben setzt genau da an. Mithilfe eines innovativen Fragebogenmoduls wollen wir diverse Aspekte der Digitalisierung zeitgleich erfassen, dazu eignet sich besonders eine Befragung der Beschäftigten zu Hause, da wir so Einblicke bekommen, die über die direkten Folgen am Arbeitsplatz hinaus gehen“, beschreibt Kirchner die zentralen Punkte des Projekts.
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt, das ökonomische und soziologische Perspektiven direkt zusammenführt, wird für 36 Monate mit fast 600.000 € vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert und erfolgt gemeinsam mit Dr. Alexandra Fedorets vom DIW.