Das Einstein Center Digital Future erkennt im Koalitionsvertrag 2025 einige wichtige Impulse für eine digital ausgerichtete Wissenschafts-, Innovations- und Verwaltungspolitik – gleichzeitig aber auch erhebliche Defizite in Bezug auf Klarheit, Verbindlichkeit und Umsetzungstiefe. Anspruch und Realität klaffen oft auseinander, resümieren einige Mitglieder des ECDF-Vorstands.
Ein zentrales Vorhaben im Vertrag ist die Förderung von Hub-Strukturen, die Forschungsinfrastrukturen und -aktivitäten standort- und akteursübergreifend vernetzen sollen. Für Prof. Dr. Martin Gersch, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin und Co-Sprecher des ECDF-Boards, ist diese Stoßrichtung richtig: „Dies entspricht genau dem vor acht Jahren am ECDF begonnenen Weg und den aktuellen Vorstellungen von Digital Science Hubs im Sinne der Deutschen Forschungsgemeinschaft.“ Auch die Anbindung an Public-Private-Partnerships begrüßt er ausdrücklich.
Prof. Dr. Daniel Fürstenau, Professor für IT-Management und digitale Transformation an der Freien Universität Berlin und ECDF-Board-Mitglied, kritisiert das Fehlen konkreter Maßnahmen im Bereich digitale Souveränität – trotz ambitionierter Zielsetzungen: „Die Aussage „Wir wollen KI- und Gründernation werden“ ist für mich ein starkes Statement, abschließend muss das aber im Lichte konkreter Maßnahmen beurteilt werden.“ Ähnlich vage bleiben für Fürstenau die Absichten zu offenen Schnittstellen und Open Source gemeinsam mit Akteuren wie ZenDiS, SPRIND und der Sovereign Tech Agency zu fördern; auch der geplante „souveräne Deutschland-Stack“ erscheint konzeptionell sinnvoll aber es fehlen konkrete Maßnahmen.
Besonders im Bereich der Datenpolitik sieht Fürstenau Potenzial für Nachbesserung: „Zwar bekennt sich die Koalition zu einem „offeneren und positiveren Datennutzungsverständnis“, doch ohne eine klare Operationalisierung drohen Projekte wie das Forschungsdatenzentrum Gesundheit an überregulierten Zugangsbeschränkungen zu scheitern. Initiativen sollten einfach und unbürokratischen Zugang zu Daten ermöglichen – nicht nur in Secure Processing Environments“, mahnt Fürstenau.
Auch in der Verwaltungsdigitalisierung zeigt sich die Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzung. Prof. Dr. Timm Teubner, Professor für Digital Service Engineering an der TU Berlin und stellvertretender ECDF-Vorstandssprecher, sieht in den Konzepten „Digital Only“ und „One-Stop-Shop“ richtige und wichtige Ansätze. Gleichzeitig kritisiert er, dass der Vertrag sie direkt wieder abschwächt: „Wer den digitalen Weg nicht gehen will oder kann, erhält Hilfe vor Ort.“ Damit sei das Versprechen von „Digital Only“ bereits ausgehöhlt, noch bevor es umgesetzt wurde. Für eine echte Digital-Wende sieht Teubner die Einführung der Bürger-ID als entscheidend an: „An ihrer Umsetzung über alle Ebenen des Staatswesens hinweg werde sich die nächste Bundesregierung messen lassen müssen, besonders mit Blick auf digitale Teilhabe und nutzerzentrierte Staatlichkeit“, so Teubner.
Das ECDF wird sich mit seinem interdisziplinären Know-how und seiner Erfahrung an der Schnittstelle von Wissenschaft, Gesellschaft und Politik aktiv einbringen – und die konkrete Umsetzung der Vorhaben kritisch, aber konstruktiv begleiten. „Wir freuen uns darauf, dies im starken Verbund mit der Berlin University Alliance und Partnern aus Politik, Industrie und Startups in unseren Schwerpunktfeldern ‘Integrated Health’, ‘Sustainable Cities’ und ‘Transforming Communities’ zu tun“, so Gersch.